Jippie, wir haben einen Konflikt – Warum Konflikte in Unternehmerfamilien eine Chance sind

Eine persönliche Entwicklung – vom Konfliktvermeider zum Konfliktversteher

Konflikte sind wirklich anstrengend. Sie bringen Unruhe in Beziehungen, werfen Fragen auf, wo man lieber Ruhe hätte. Und doch sind sie da. Insbesondere in Unternehmerfamilien, in denen Familie, Inhaberschaft und das Unternehmen untrennbar miteinander verwoben sind.

Bild zeigt verschiedenen Ausgaben der Unternehmer Edition
UnternehmerEdition

Seit 2012 schreibe ich regelmäßig für die UnternehmerEdition. In dieser Zeit sind mehr als zehn Artikel entstanden. Rückblickend zeigt sich: Fast alle drehen sich um das Thema Konflikt. Es ist irgendwie ein roter Faden. Einer, der sich nicht nur durch meine Arbeit, sondern auch durch meine eigene Einstellung zu Konflikten zieht.

Denn meine Perspektive auf Konflikte hat sich grundlegend verändert.

In den ersten Jahren war der Ton meiner Texte von Vorsicht geprägt. Konflikte galten als Störgröße. Als etwas, das zumindest durch kluge Strukturen eingegrenzt werden sollte, gerade wenn man sie nicht vermeiden kann. Inhaberstrategien, saubere Rollenverteilung, klare Governance-Regeln: All das erschien mir als wirksames Mittel, um Eskalationen vorzubeugen. Konfliktvermeidung war gleichbedeutend mit Stabilität. So dachte ich damals.

Doch mit den Jahren – und mit jeder Begegnung mit Unternehmerfamilien – wurde mir klar: Konflikte lassen sich nicht wegorganisieren. Sie sind Teil des Systems. Wo Menschen miteinander leben, arbeiten und Verantwortung teilen, entstehen Reibungen. Und diese Reibungen sind nicht per se gefährlich. Sie können sogar notwendig sein.

Also begannen meine Artikel, einen anderen Ton anzuschlagen. Ich schrieb nun über Konflikte als Ausdruck normaler Familiendynamik. Als etwas, das nicht nur stört, sondern auch klärt. Ich beschrieb, wie Vertrauen wachsen kann, wenn Meinungsverschiedenheiten ausgesprochen und konstruktiv bearbeitet werden. Und ich schrieb darüber, wie viel Entwicklung möglich ist, wenn Familien bereit sind, sich nicht vor dem Konflikt zu fürchten, sondern sich ihm zuzuwenden.

In meinen jüngsten Texten hat sich dieser Perspektivwechsel weiter verfestigt. Heute verstehe ich Konflikte nicht mehr nur als zu bewältigende Herausforderung, sondern auch als aktiven Hebel für Fortschritt, auch wenn ich finde, dass Konflikte immer noch sehr anstrengend sind. Sie sind Anlass, die eigentlichen Interessen offenzulegen. Und sie sind eine Chance, verfestigte Muster zu hinterfragen und neue Wege zu finden. Konflikte zeigen, wo etwas in Bewegung ist. Und sie fordern uns auf, Haltung zu zeigen.

Natürlich gelingt das nicht immer sofort. Konfliktklärung braucht Zeit, Übung und Geduld, und vor allem eines: den Willen, den Konflikt zu klären. Sie verlangt nach Formaten, in denen Dialog möglich wird: Mediation, Feedbackkultur und regelmäßige Gespräche sind Beispiele hierfür. Und manchmal braucht es einen zweiten oder dritten Anlauf.

Doch genau das ist der Kern meiner heutigen Überzeugung: Konflikte sind kein Störfaktor. Sie sind ein Teil der Lösung.

Jippie, wir haben einen Konflikt! Nicht, weil Streit Freude macht, sondern weil er die Möglichkeit eröffnet, ehrlich hinzuschauen. Und gemeinsam weiterzukommen.

Autor

Prof. Dr. Alexander
Koeberle -Schmid​

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